Black History Month Part 4: Bernardine Evaristo „Mädchen, Frau etc.“
Bernardine Evaristo gehört zu den Autorinnen, die von jedem gelesen werden sollten, überall.
Elif Shafak
Dieses Buch ist eine literarische Entdeckung. Seine Autorin, die Britin Bernardine Evaristo, wird für ihren Roman bereits weltweit gefeiert, und erhielt dafür, als erste Schwarze Frau überhaupt, den renommierten und begehrten Booker Prize.
„Mädchen, Frau etc.“ ist ein besonderes und vielstimmiges Buch. Auf gut 500 Seiten erzählt es vom Leben und Lieben 12 starker Schwarzer Frauen mehrerer Generationen und zeichnet dabei das lebendige Panorama eines ganzen Jahrhunderts. Es verknüpft die Schicksale und Erfahrungen der verschiedenen Protagonistinnen miteinander, erzählt von ihren Kämpfen um Gleichberechtigung und Selbstverwirklichung, um Identität und sexuelle Selbstbestimmung, gegen Rassismus und Diskriminierung, und wechselt dabei immer wieder die Perspektive auf die jeweiligen Personen.
Ausgangspunkt des Romans ist eine Theaterpremiere im Londoner National Theatre. Amma Bonsu, ihres Zeichens Dramatikerin und Revoluzzerin im Kunstbetrieb, inszeniert „Die letzte Amazone von Dahomey“, ein feministisches und provokantes Theaterstück, welches zugleich auch ein Rückblick auf ihr eigenes Leben ist. Und dennoch: nach den Kämpfen ihrer frühen Jahre ist auch Amma eine mittlerweile etablierte Autorin geworden, angekommen im Mainstream – ein Umstand, welcher auch für ambivalente Gefühle sorgt. Hier im Theater treffen nun alle Fäden zusammen: Freundinnen, Töchter, Ex-Geliebte und gemeinsame Wegstreiterinnen. Sie begegnen einander, sie vermeiden einander; sie alle jedoch schenken uns einen Blick in ihr Leben. Auch von den Geschichten der Mütter und Großmütter erfahren wir und deren ganz unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen, welche teilweise weit zurückreichen bis in die Zeit der Sklaverei und sich über mehrere Kontinente erstrecken.
Die Diversität der Romancharaktere und ihrer Lebenswelten – lesbisch, hetero, queer, trans, non-binary – stellt dabei im Buch eine Selbstverständlichkeit dar, die wohltuend unkonventionell und ermutigend zugleich ist.
In einem Interview mit dem Magazin „Der Spiegel“ sagt Evaristo:
„Obwohl es so experimentell ist, ist es leicht lesbar und Menschen können auf verschiedenen Ebenen eine Verbindung herstellen, es gibt darin zum Beispiel viele unterschiedliche Mutter-Tochter-Beziehungen. Sie können sich damit auch identifizieren, wenn sie aus einer weißen Arbeiterklasse kommen. Oder sie erkennen sich in den Erfahrungen der Frauen wieder. Einmal kam ein 80-jähriger Mann auf mich zu und sagt mir, dass er sich auch darauf beziehen könne. Das ist wunderbar, denn letztendlich geht es darum, wer wir als Menschen sind, oder? Wenn all diese künstlichen Barrieren wie Race und Gender sich im Rest auflösen und die Lesenden nur in der Geschichte involviert sind, ist das eine wunderbare Sache.“
Wir Lesende jedenfalls, die wir in den Genuss dieses bemerkenswerten Buches kommen durften, gehen aus seiner Lektüre mit Bereicherung, Hoffnung und Dankbarkeit hervor, steckt es doch voller Leidenschaft und Herzenswärme… von der ersten bis zur letzten Seite.
Es ist eines jener Bücher, welches man mit großem Bedauern schließt, verlässt man doch nur äußerst ungern diesen Kosmos an reichen Geschichten, welche uns so viel zu erzählen und zu geben haben – voller praller Lebensfreude, Witz und Poesie.