166. Geburtstag von Oscar Wilde
Zur Feier seines 166. Geburtstages stelle ich euch eine der schillerndste Persönlichkeiten und Literaten des 19. Jahrhunderts vor. Oscar Wilde.
Biografisches
Geboren am 16. Oktober 1854 als Oscar Fingal O’Flahertie Wills Wilde, als Sohn irischer Protestanten, zählt er zu den bekanntesten und bedeutendsten Schriftstellern seiner Zeit. Sein Intellekt ermöglichte es ihm an den Elite Colleges seiner Zeit zu studieren. So studierte Wilde zuerst in Dublin, später in Oxford, wo er seinen Abschluss in Englischer Literatur mit Auszeichnung erhielt. Wilde zog es, nachdem er in London sesshaft geworden war, in die Welt. Er reiste nach Amerika, wo sich seine Vortragsreise zu einer gesellschaftlichen Sensation entwickelte. Gefeiert und geliebt von Massen, beschloss er mit dieser neu gewonnenen Energie nach Paris zu gehen, wo er sich literarisch ein wenig auslebte. Paris hinter sich lassend, ging es zurück in seine Wahlheimat London, wo er sich erneut auf seine Schriftstellerkarriere konzentrierte.
Bejubelt für seine geistreichen Schriften, wurde er jedoch von der Elite der Gesellschaft als Skandalschrifsteller karikiert. Wilde war bestrebt, dem Publikum all das zu geben, was es verlangte. Er arbeitete stets daran die Massen zu begeistern, aber auch jene, die ihn nicht mochten. Schon während seiner Studienzeit beschäftigte er sich zunehmend mit dem Ästhetizismus. Nebst Walter Pater, John Rusker und anderen wurde Wilde zu einem Vertreter eben jenes Ästhetizismus, den Thomas Mann im Jahr 1903 mit „Tristan“ parodierte. Ästhetizismus beschreibt jene Epoche, in der die Genres der Kunst, Literatur, Musik aber auch Ethik und Religion dem „Ästhetischen“ untergeordnet sind. Das „Schöne“ steht immer an höchster Stelle. Ein Leben nur um der Schönheit Willen. So wurde Oscar Wilde auch zu einem der bekanntesten Vertreter des Dandyismus. Gekonnt wusste er mit Klischees zu spielen und machte sich einen Spaß daraus, der „verkniffenen“ Gesellschaft des viktorianischen Englands den Spiegel vorzuhalten. Getrieben vom Wunsch nach Anerkennung für sein Schaffen und sein Genie gelang ihm mit „Das Bildnis des Dorian Gray“ der endgültige Durchbruch als gefeierter Schriftsteller, Dramatiker und Kritiker. Doch nicht nur seine Theaterstücke und sein, leider einziger Roman, brachten Wilde Anerkennung, Geld, Ruhm und Bewunderung.
Keinesfalls wurde nur sein Wirken heiß diskutiert, auch seine Lebensweise sowie Liebesleben wurden Gesprächsthema der Londoner Gesellschaft. So entschloss er sich im Alter von 3o Jahren die Anwaltstochter Constance Lloyd zu heiraten. Mit Constance Lloyd schuf Oscar Wilde sich seine eigene kleine Familie. Die Söhne Cyril und Vyvyan machten das junge Liebesglück perfekt. Anfänglich wirklich Liebe, stellten sich jedoch schnell Wildes homoerotische Neigungen zwischen beide. Er machte keinen Hehl daraus, dass ihn vormals junge Burschen anzogen. Sie genossen seinen Ruhm, vermehrt auch sein Geld und er genoss ihre Gesellschaft, mal mehr mal weniger intim. Seine große Liebe war gleichzeitig sein letztendliches Verderben. Die Bekanntschaft mit Lord Alfred „Bosie“ Douglas brachte Wilde zwar in die höchsten Kreise der Londoner Gesellschaft, doch schon zu Beginn war die Liaison der Beiden geprägt von Eifersucht, Neid und Missgunst. Bosie ein junger Aristokrat, selbst „Schriftsteller“ und Sohn des Marquess of Queensberry war ein angesehener Junggeselle, der Wildes Zuneigung zu ihm schamlos ausnutzte. Dies wird erst im späterem Verlauf der Beziehung klar, als Oscar Wilde vollkommen von „Bosie“ beeinflusst, seine Familie verlässt und sich ganz dem jungen Mann hingibt. Er verprasste sein Geld, häufte Schulden an und nahm halb London zum Feind, nur um Bosie zu gefallen. Als „Bosies“ Vater, der Marquess of Queensbury, Wilde der Sodomie (damals stellvertretend für Homosexualität) bezichtigte, war es „Bosie“, der seinen Geliebten drängte gegen seinen Vater vorzugehen. Der Streit endete vor Gericht, wo Oscar Wilde im Mai 1895 zu zwei Jahren Zuchthaus mit schwerster Zwangsarbeit verurteilt wurde. Die Verhandlungen sowie das anschließende Urteil wurden von der Klatschpresse bis aufs Äußerste ausgebreitet.
Oscar Wilde, einst gefeierter Literat, stand nun vor den Scherben seines Seins. Nur wenige Freunde, darunter auch Wildes erster Geliebter Robert „Robbie“ Ross und seine eigene Frau standen noch zu ihm. Die zwei Jahre im Zuchthaus gingen nicht spurlos an Wilde vorbei. Krankheit, sowohl physischer als auch psychischer Art, Misshandlung und Elend, begünstigt durch die harte Zwangsarbeit, bestimmten seinen Alltag. Seine Frau, die anfangs noch zu ihrem Gatten gehalten hatte, ließ sich um der Kinder Willen von ihm scheiden und nahm den Namen Holland an. Oscar Wilde sah seine Kinder nach seiner Verhaftung nie wieder.
Constance Holland starb ein Jahr nach Oscar Wildes Haftentlassung allein in Genua, Italien. Als ein Schatten seiner Selbst, floh er am Tag seiner Entlassung mit „Robbie“ Ross nach Paris. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Wilde, geprägt von Leid, Armut und Krankheit, auf der Suche nach einem Sinn, wandernd durch ganz Europa. Zwischenzeitig verbrachte er einige der glücklichsten Momente seines Exils mit „Bosie“ Douglas. Gleichzeitig war die ohnehin brüchige Beziehung zu „Bosie“ abermals zum scheitern verurteilt; Wilde gezeichnet vom Unglück seines Lebens, hatte alles aufgegeben für ihn, doch beide konnten mit der Lebenssituation des Anderen nicht umgehen. „Bosie“ war noch immer „jung“ und „schön“ und suchte das Leben, während Oscar Wilde seines bereits verloren hatte.
Hier ein Zitat von Oscar Wilde über seine Beziehung zu „Bosie“ im Exil:
„My going back to Bosie was psychologically inevitable. I cannot live without the atmosphere of Love. Of course I shall often be unhappy, but I still love him; the mere fact that he wrecked my life makes me love him“
Deutsch:
„Mein Zurückkehren zu Bosie war psychologisch gesehen unvermeidlich. Ich kann nicht ohne die Atmosphäre der Liebe leben. Ich werde oft unglücklich sein, aber ich liebe ihn immer noch; die bloße Tatsache, dass er mein Leben ruiniert hat, lässt mich ihn lieben.“
In Paris verbrachte Wilde die letzten Monate seines Lebens. Immer an seiner Seite „Robbie“ Ross, sein bester Freund und erster Geliebter, sowie sein guter Freund Reginald Turner. Oscar Wilde starb nach langer schwerer Krankheit am 30. November 1900. Er wurde 46 Jahre alt. 1950, im 50. Todesjahr Wildes, wurde die Asche seines besten Freundes und ehemaligen Geliebten „Robbie“ Ross in Wildes Gruft beigesetzt. Dieser hatte nicht nur während Wildes schlimmsten Erlebnissen immer zu ihm gestanden, sondern kümmerte sich nach dessen Verurteilung auch um dessen Reputation. Über Wildes Tod hinaus war er ihm ein treuer Freund und dessen Nachlassverwalter.
Werke
Wie bereits erwähnt, zählt der Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ zu Wildes bedeutendsten Werken. Der 1890 erschienene Roman galt als unzüchtig und war auch Gegenstand bei der Verurteilung Wildes. Das Vorwort zu „Das Bildnis des Dorian Gray“ gilt als Art Manifest des Ästhetizismus. Heute wohl immer noch das Werk, das den Meisten in den Sinn kommt, wenn von Oscar Wilde die Rede ist. Bei seinem Dorian Gray verband Wilde, wie auch bei seinen Märchen, das Fantastische mit dem französischen Symbolismus und brach so mit der realistischen Literatur, die im Europa des 19. Jahrhundert „angesagt“ war. Wilde bedient sich bei Dorian auch an Antiken Stoffen wie dem „Narziss-Mythos“ und am Fauststoff. So wird die Moralität der Sinnlichkeit sowie der Hedonismus im Viktorianismus essentiell für Wildes Werk. Wilde lässt es sich bei seinem Roman nicht nehmen, die Dekadenz der Englischen Oberschicht zu karikieren. Besonders deutlich wird die Parallele zum Fauststoff anhand von Dorian Grays Charakter. Besessen vom Drang nach Unsterblichkeit geht er (un-)wissentlich einen Pakt mit dem „Teufel“ ein. In Form von Lord Henry Wotton. Dorian kann nicht altern, bleibt ewig jung, schön und begehrt. Sein Wahn ewig jung sein zu wollen, hat natürlich eine Kehrseite und so kommt es nach einigen Grausamkeiten zum Ende Dorians, in dem Dorian vollkommen eingenommen von seinem Wahn und der Paranoia sein eigenes Gemälde, welches all seine Sünden in sich aufgenommen hat und an seiner statt gealtert ist, zerstört und somit den Pakt auflöst. Der Roman endet ohne Happy End. Anbei muss noch gesagt werden, dass zu Beginn des 21. Jahrhundert eine psychische Störung bzw. ein klinisches Syndrom festgestellt wurde, das „Dorian-Gray-Syndrom“ heißt und das sich in der psychischen Unfähigkeit zu altern und zu reifen und in einer mangelnden Akzeptanz des eigenen Aussehens zeigt.
Ein weiteres Werk auf das ich näher eingehen möchte, ist Wildes Kunstmärchen „Der glückliche Prinz“. Es erschien gemeinsam mit anderen Märchen Wildes in einem Sammelband und behandelt die Geschichte des glücklichen Prinzen, einer Statue. Der glückliche Prinz hat nie erfahren wie es ist, unglücklich oder in Not zu sein und freundet er sich mit einer verlassenen Schwalbe an. Betroffen vom Leid und der Armut der Stadtbewohner bittet er die Schwalbe etwas gutes zu tun. Die Schwalbe kommt den Wünschen des Prinzen nach. Befreit von seinen Edelsteinen und seinem Blattgold, ist der glückliche Prinz nun nicht mehr ansehnlich und so wird kurzerhand beschlossen, dass die Statue eingeschmolzen werden soll. Es ist inzwischen Winter geworden, die Schwalbe liegt erfroren zu Füßen des glücklichen Prinzen. Doch beim einschmelzen der Statue des glücklichen Prinzen schmilzt sein Herz nicht, dies wird daraufhin auf den Abfall geworfen, wo auch die Schwalbe mittlerweile liegt. Gott bittet einen Engel, die wertvollsten Dinge aus der Stadt des glücklichen Prinzen zu holen, und so bringt der Engel Gott das bleierne Herz des Prinzen und die tote Schwalbe. Im Reich Gottes soll die Schwalbe singen und der glückliche Prinz solle Gott preisen.
Die christliche Thematik in diesem Märchen ist tatsächlich nicht ungewöhnlich für Wilde. Auch in seinem Märchen „Der selbstsüchtige Riese“ kommen christliche Motive wie Nächstenliebe, Gottes Gnade sowie die Erscheinung Jesus Christus vor. Um dies zu verstehen, muss ich etwas ausholen, in Bezug auf Wildes Religiosität. Irisch Protestantisch getauft und erzogen interessierte sich Oscar Wilde schon während seiner Studentenzeit für den Katholizismus. Seine sozialistische Einstellung hinderte Wilde nicht daran, sich mit ganz grundsätzlichen christlichen Thematiken auseinanderzusetzen. Die Frage nach Erlösung und der Gnade Gottes kommt immer wieder in seinen Werken durch, auch moralische Fragen in Bezug auf Unsterblichkeit, wie oben im Abschnitt über „Das Bildnis des Dorian Gray“ beschrieben, beschäftigten Wilde Zeit seines Lebens. So gab er sein ganzes Sein für das Schaffen seiner Kunst hin. Musste alles aufgeben, weil er nicht den moralischen Vorstellungen entsprach und suchte nun, im Gefängnis von Reading nach Antworten.
Dort entstand das wohl tiefgreifendste und persönlichste Werk Oscar Wildes „De Profundis“. Ein offener Brief an seinen ehemaligen Geliebten Lord Alfred „Bosie“ Douglas. Der Titel „De Profundis“ greift den Anfang des Psalms 130 auf. „De profundis clamavi ad te Domine.“ – „Aus der Tiefe rief ich, Herr, zu Dir“. In De Profundis reflektiert Wilde sein bisheriges Leben. Es ist jedoch nicht nur die Anklageschrift an seinen ehemaligen Geliebten und das erneute Durchleben eines Lebens, das vergangen ist, es kann ebenso als Art Konvertieren zum Katholizismus verstanden werden. Gezeichnet vom harten Leben im Zuchthaus, der schwere körperlichen Arbeit, der mageren Nahrung und der dort vorherrschenden lebensunwürdigen Bedingungen lernt Wilde jedoch eines kennen. Demut. Nachdem Gram und Hass auf „Bosie“ Wildes Seele verdunkeln ließen, scheint die neu gefundene Demut wie der wertvolle Rest seiner Seele zu sein, an der er sich festhalten kann. Auf dem Weg in ein neues Leben. Wilde macht im Gefängnis einen inneren Wandel durch, einen wie man es keinem wünscht, zerrissen von Qual, Krankheit und Einsamkeit, liegt sein Leben offen vor ihm und er muss sich neu finden, denn ohne Zweifel ist der Oscar Wilde, wie die Welt ihn kannte und feierte, „gestorben“. Dies zu erkennen, sein Leid zu akzeptieren, ist wohl das schwierigste, was Wilde jemals durchgestanden hat. Hass und Gram wandelten sich in tiefste Depression aus welcher Wilde glücklicherweise einen Ausweg fand und mit Heiterkeit und Hoffnung in die Zukunft blicken konnte. An dieser Stelle seines Briefs kommt die Parallele zum Leben und Leiden Christi zutrage.
„Mir bleibt nur noch eines, äußerste Demut: genau wie Dir nur noch eines bleibt, äußerste Demut. Wirf Dich in den Staub und lerne sie an meiner Seite.“ – De Profundis (s.91.)
Wilde sah Jesus Christus als größten romantischen Künstler der je gelebt hat.
„Wie anders, als durch ein Herz, gebrochen, / Mag Christ der Herr sich nahen?“ – De Profundis.
Diese Überzeugung führte letztendlich auch dazu, dass Wilde einen Tag vor seinem Ableben durch einen katholischen Priester geweiht wurde und die heiligen Sakramente empfangen konnte. All das Gute, das ihm im Exil und während der Haft widerfahren ist, verdankt Oscar Wilde der unerschütterlichen Fürsorge seines besten Freundes Robbie Ross. Als praktizierenden Katholiken kann man Oscar Wilde nun nicht betiteln, aber ohne Zweifel starb er als Katholik. Anfang 2007 nahm der Vatikan Oscar Wilde in die Ehrenliste der Autoren in die Anthologie „Provokationen: Aphorismen für ein anti-konformistisches Christentum“ auf.
Ich könnte noch viele weitere Stücke Wildes aufzeigen und beschreiben. Eines faszinierender als das Andere. Jedoch war es mir wichtig mit dem zu Enden, an dem, wie ich finde, Wildes ganze Seele hängt: Sein Brief „De Profundis“.